Drachenfrauen, 2020
3 Figuren, Zeitungspapier, Seide, Leine
je 40 x 5 x 4 cm

Drei puppenähnliche Figuren, die am Kopf aufgehängt an der Wand hängen. Sie tragen alle drei das gleiche asiatisch anmutende Seidenkleid und am Kopf eine Burka. Einerseits ist da das reizvolle Material des schönen glänzenden Seidenstoffs. Der Stoff übt ebendie sinnliche Anziehung aus wie ein Puppentheater aufs Kind. Gleichzeitig aber legt sich Trauer über die unmittelbare Faszination. Menschliches Unglück, Gewalt und Grausamkeit sind es, an denen diese Faszination hier haftet. Guantanamo, Abu Ghraib — die drei Figuren hängen an der Wand wie am Galgen Gehenkte. Aber jedes Kind liebt ein Puppentheater. In Benjamins Text “Berliner Kindheit um 1900“ tritt realer Raum als semiotische Figur an die Stelle eines einfachen zeitlichen Ablaufs. Die unbekannte Materie funktioniert als Schwelle zwischen individuellen Erinnerungen und sozialer Prägung. Kindliche Verinnerlichung kann kein Übernehmen von Vorhandenem sein, weil die vorhandene Dingwelt erst entziffert werden muss. Im Nicht-Verstehen des Kinds und im Entziffern des Nicht-Verstandenen werden die in Raum und Zeit vorhandenen Dinge zu materiellen Zeichen, zu denen man sich verhält. Das Kind erhebt die Dinge. Es gleicht sich den Zeichen, die die Dinge sind, an. Aber im Moment des Anschmiegens wird das Ding auch verzerrt. Durch Verinnerlichen zu entziffern heißt stets quer verstehen. So sind die “Drachenfrauen” Konstruktion einer Identität aus disparaten Erfahrungen. Der asiatische Seidenstoff, die Burka, die Assoziationen an ein Marionettentheater funktionieren in ihrer Kombination noch einmal ganz eigen: Sie halten zur Wachsamkeit an. Was man nicht versteht besitzt eine Kraft. Es gilt Vorsicht darüber zu üben, in welcher Weise diese Kraft zur Entfaltung kommt.